Offener Brief an den inhaftierten „Welt“-Korrespondenten Deniz Yücel

Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse (AGRA) tagt in Stuttgart

Lieber Deniz Yücel,

was schreibt man eigentlich jemandem, der unschuldig im Gefängnis sitzt, weil er den Beruf hat, den wir auch haben? Vor mehr als sieben Wochen wurdest Du inhaftiert, sitzt in Isolationshaft, weil Du einfach Deine Arbeit gemacht hast. Außerhalb von Deutschland, aber in einem eng verbündeten Land. Verbunden nicht nur über die NATO, sondern auch über die Millionen von Menschen, die in beiden Ländern arbeiten oder Urlaub machen.

Die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA), ein Zusammenschluss der Programmmitarbeiter der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten Deutschlands, ist heute zu einem zweitägigen Treffen nach Stuttgart gekommen. Wir sehen es als unsere Aufgabe an, die journalistische Freiheit im Rundfunk zu wahren und vor jedweden Eingriffen zu schützen. Wir solidarisieren uns mit Dir und allen anderen inhaftierten Kolleginnen und Kollegen.

Im Artikel 19 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen vom 10.12.1948 heißt es: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Deine Inhaftierung ist ein Verstoß gegen die Menschenrechte. Kein türkisches Recht kann sich auf Dauer gegen sie stellen.

Gut sieben Wochen nach Deiner Festnahme ist ein Ende Deiner Inhaftierung nicht absehbar. Warum? Weil Du kritisch über die politische Entwicklung in der Türkei und über ihren Staatspräsidenten berichtet hast, so wie es Dein Job ist als Journalist! Du hast berichtet, kritisch berichtet, wie es in allen freien Staaten dieser Welt üblich ist.

Wenn Journalistinnen und Journalisten wie Staatsfeinde behandelt werden, können wir nicht schweigen. Dein Fall steht auch für das Schicksal vieler türkischer Kolleginnen und Kollegen. Eine freie Berichterstattung über die Türkei soll so unmöglich gemacht werden. Wir protestieren auf das Schärfste gegen diesen Umgang mit der freien Presse.

Deniz Yücel, wir stehen hinter Dir.

Redakteursvertreter gegen Islam-Medienkonferenz des Innenministeriums

Nach Informationen der Redakteursausschüsse von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutscher Welle (AGRA) plant das Bundesinnenministerium1, die Chefredakteure deutscher Medien zu einem Workshop über die mediale Wahrnehmung muslimischer Mitbürger einzuladen. Die Initiative für diese Veranstaltung kommt offenbar von muslimischen Verbänden. In der Vergangenheit haben konservative Islamverbände wie die Muslimbruderschaft u.a. auch die Forderung nach Beteiligung in Rundfunkräten erhoben, eventuell auch um kritische Berichterstattung in ihrem Sinne verhindern zu können. Zwar hält die AGRA eine ausgewogene Berichterstattung über Muslime in Deutschland für unabdingbar. Insbesondere dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk kommt hier eine besondere Aufgabe zu. Allerdings sehen die Redakteurs-VertreterInnen der öffentlich-rechtlichen Medien die Gefahr, dass das Innenministerium anstrebt, mit den Chefredakteuren die Ausrichtung der Berichterstattung zu besprechen. Die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse (AGRA) lehnt jegliche Versuche der Politik ab, auf die Berichterstattung Einfluss zu nehmen. Bei ihrer Tagung in Leipzig betonten die öffentlich-rechtlichen RedakteursvertreterInnen, die Berichterstattung in Deutschland bedürfe keiner staatlichen Lenkung. Eine Einmischung des Bundesinnenministers in diese Thematik würde die Verpflichtung des Staates zu religiöser Neutralität und zur Achtung der Pressefreiheit verletzen.

EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Stellungnahme der Redakteursausschüsse im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zur EU-Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen

Die Redakteursausschüsse von ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutscher Welle (AGRA) lehnen die geplante EU Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen 1 ab. Wir fordern die EU-Parlamentarier auf, am Donnerstag, den 14.4.16 gegen die Richtlinie zu stimmen. Sie ist geeignet die journalistischen Recherchemöglichkeiten einzuschränken, Journalisten einzuschüchtern und die redaktionelle Arbeit durch hohe Kostenrisiken zu behindern.

Die Aufdeckung und journalistische Aufarbeitung von Missständen und Skandalen, wie Lux Leaks, die VW-Abgasaffäre oder dem Gammelfleisch-Skandal, wären mit der vorgesehenen Richtlinie erschwert oder nicht möglich gewesen.

Nach der neuen Richtlinie wäre es Unternehmen allein überlassen, welche Informationen als Geschäftsgeheimnisse zu definieren sind. Und zwar ohne, dass es auf ein objektives, berechtigtes Geheimhaltungsinteresse ankommt. Die vorgesehene Beweislastumkehr würde Unternehmen von jeder Nachweispflicht befreien, dass tatsächlich ein schutzwürdiges Rechtsgut verletzt ist. In der Folge könnte jede Recherche verzögert oder verhindert werden.

Die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse (AGRA) unterstützt deshalb auch die Petition Whistleblower in Gefahr auf wemove.eu

  1. Im Wortlaut der Kommission Richtlinie über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung

AGRA zur Kritik am öffentlich-rechtlichen Rundfunk

Journalisten und ihre Veröffentlichungen darf man kritisieren. Soll man sogar. Untereinander machen wir das dauernd, geradezu notorisch. Journalisten der Lüge, eines Irrtums oder mangelnder Objektivität zu überführen – das ist geradezu erwünscht. Denn: Kritik schmälert nicht die Pressefreiheit, sondern befördert sie.

Je pauschaler die Kritik, desto geringer fällt ihr Nutzwert aus. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Horst Seehofer hat sich am Wochenende ebenso kritisch wie pauschal zur Arbeit von uns Journalisten im öffentlich-rechtlichen Rundfunk geäußert. Damit diese Kritik fruchtbar werden kann, bittet die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse von ARD, ZDF und Deutschlandradio (AGRA) Herrn Seehofer, konkrete Fälle journalistischen Fehlverhaltens zu benennen. In der veröffentlichten Form können die Redakteursvertreter Horst Seehofers Kritik allerdings nicht nachvollziehen.

Gerade die Reporter öffentlich-rechtlicher Sender stellen sich mutig jeder Lebenswirklichkeit. Mit ihren Kamerateams berichten sie vom Bürgerkrieg in Syrien, von der Balkanroute, von der bayerischen Grenze und von Flüchtlingsunterkünften. Es sind Reporterteams von MDR und ZDF, die bei „Pegida“-Demonstrationen dabei sind: Dort erleben sie buchstäblich hautnah Beleidigungen, Schläge und Pfefferspray-Attacken. Welche „Lebenswirklichkeit“ Horst Seehofer dabei noch vermißt, ist der AGRA schleierhaft.

Extrem fragwürdig findet die AGRA Seehofers Kritik, dass die „persönliche Überzeugung der Autoren“ Maßstab der Berichterstattung sei. Es ist geradezu Berufspflicht ausgebildeter Journalisten, nur nach eigenem besten Wissen und Gewissen zu berichten. Nur was ein Reporter selbst erlebt hat oder sorgfältig recherchiert hat, darf Maßstab seiner Berichterstattung sein – und zwar unabhängig von jeder äußeren Beeinflussung. Diese „innere Pressefreiheit“ ist verfassungsrechtlich geschützt. Gegen den Pegida-Vorwurf der angeblich vom Staat gelenkten „Lügenpresse“ hilft nur, diese Unabhängigkeit der Journalisten noch zu stärken.

Ein wichtiges Instrument der inneren Pressefreiheit sind „Redaktionsstatute“, die es bei den meisten öffentlich-rechtlichen Sendern gibt, wenngleich nicht bei allen. Die AGRA bittet Horst Seehofer zu prüfen, ob er zur Stärkung des unabhängigen Journalismus beitragen möchte: Als bayerischer Ministerpräsident könnte er die Initiative ergreifen, um beim Bayerischen Rundfunk ein solches Redaktionsstatut zu verankern. Und als Mitglied im ZDF-Verwaltungsrat könnte er dort in gleicher Weise aktiv werden. Beide Sender haben noch keine Redaktionsstatute, die jedoch hilfreich wären für eine Berichterstattung, die sich unabhängig an der Lebenswirklichkeit der Menschen orientiert.

Funkhaus Europa braucht formatgerechte Nachrichten

Gemeinsame Erklärung der Redakteursausschüsse von WDR, Radio Bremen und rbb1

 

Das Programm ist jung, dynamisch, europäisch, international. Die Musik weit jenseits des Mainstreams. Und die Nachrichten genau passend zu Form und Inhalt der Welle. Das
Funkhaus Europa sticht aus dem breiten Angebot des ARD-Hörfunks heraus.
Im kommenden Jahr aber soll eine Reform beim Funkhaus Europa greifen. Es liegen noch
nicht alle Reformpläne auf dem Tisch. Der für die programmliche Qualität bislang
einschneidendste Schritt: Die spezifischen FHE-Nachrichten sollen unter den Tisch fallen.
Stattdessen sollen die WDR-einheitlichen Nachrichten durchgeschaltet werden. Die
Redakteursvertretungen und -ausschüsse von WDR, Radio Bremen und rbb halten das für eine Fehlentscheidung.

Gerade für ein informationsorientiertes Programm wie das FHE sind die Nachrichten
(selbstverständlich) ein besonderer Anker, der den Hörerinnen und Hörern liefern muss, was sie erwarten. Die Flächen- und Nachrichten-Redaktionen des FHE haben eine ganz klar umrissene Zielgruppe im Blick, die sie erfolgreich, zuverlässig und im besten Sinne erwartbar beliefern. Doch Nachrichten, die in Präsentation und Inhalt radikal vom sonstigen Klang und Informationsgehalt der Fläche abweichen, sind ein Grund zum Um- und Ausschalten.

Genau das aber wird die zwangsläufige Folge sein, wenn die Pläne der WDRHörfunkdirektion umgesetzt werden. Egal, wie gut die neuen Zentralnachrichten sein werden – zum FHE passen werden sie auf keinen Fall. Der WDR nimmt bei seinen Nachrichten Nordrhein-Westfalen in den Fokus. Das aber ist eine Perspektive, die schon für die FHEHörerinnen und Hörer in NRW zu eng ist. In den FHE-Sendegebieten Berlin, Brandenburg und Bremen werden die WDR-Nachrichten regelrecht an den Hörerinnen und Hörern vorbeigehen.

Die Funkhaus-Nachrichten zeichnen sich durch einen hohen Grad an Internationalität aus –
und das schon, lange bevor Griechenland-Krise oder Flüchtlingsströme nach Europa jedes
Nachrichten-Format dominierten. Diversity-Themen, Integration, Fremdenfeindlichkeit, Netz- News und vieles mehr sind „Funkhaus-Europa-Gewürze“ in den Nachrichten. Und das sollen sie auch bleiben, auch wenn andere Nachrichten-Sendungen längst wieder andere Themen nach vorne heben. In einer ganz eigenen, natürlichen Präsentation in einer
umgangssprachliche Schreibe ohne jede kumpelhafte Attitüde.

Die Redakteursvertretungen und -ausschüsse von WDR, Radio Bremen und rbb fordern die Hörfunk- beziehungsweise Programmdirektorinnen und -direktoren der drei am Funkhaus Europa beteiligten Sender daher nachdrücklich auf, die Reformpläne für das FHE zumindest an dieser Stelle zu revidieren. Das Funkhaus muss für sein Profil zwingend eigene, maßgeschneiderte und formatgerechte Nachrichten behalten. Das ist keine Frage der Qualität der WDR-Nachrichten, sondern einzig eine der Passgenauigkeit der
programmprägenden Nachrichten für ein spezialisiertes Programm wie das des Funkhauses Europa.

  1. Mit Diesem Text haben die Redakteursvertretungen von RBB, Radio Bremen und WDR an die Geschäftsleitungen und Gremien ihrer Sender appelliert

Das Märchen von den kostenlosen Privatsendern

Bürger zahlen für privaten Rundfunk mehr als für öffentlich-rechtliche Angebote

In diesem Monat ist der Rundfunkbeitrag von 17,98€ auf 17,50€ gesenkt worden. Die Haushaltsabgabe für die Programme von ARD/ZDF und Deutschlandradio wird häufig als Zwangsgebühr diffamiert. Dabei wird gerne der Eindruck erweckt, nur öffentlich-rechtliche Programme würden die Bürger etwas kosten. Jeder Verbraucher finanziert kommerzielle Angebote in Hörfunk und Fernsehen; beim Autokauf, an der Supermarktkasse, in der Apotheke, bei der Abbuchung seiner Versicherungsbeiträge. Geld, das von der werbetreibenden Wirtschaft in Werbebudgets umgewandelt wird.

Die Aufwendungen für Werbung in privaten Medien (TV, Radio und Online) in Deutschland betrugen im Jahr 2014 knapp 16 Milliarden Euro1. Verbraucher finanzieren damit in erster Linie mittelbar private Medienunternehmen mit einem Betrag von mehr als 30 Euro pro Haushalt und Monat. Im Gegensatz hierzu ist der Rundfunkbeitrag in Deutschland von jetzt 17,50€ deutlich günstiger, er ist zudem transparent und liegt im internationalen Vergleich im Mittelfeld.

Billig kann teuer zu stehen kommen

Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk stärken

Weniger Geld, weniger Mitarbeiter und weniger Zeit für Recherche sind die Folgen von massiven Einsparungen und Strukturveränderungen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Die überwiegende Mehrheit der Mitarbeiter von ARD/ZDF und Deutschlandradio beteiligt sich konstruktiv an Prozessen für mehr Effizienz und zur sinnvollen Kostenreduzierung. In vielen Bereichen bedeutet dies mittlerweile aber Einschnitte, die spürbar und hörbar sind, kritisiert die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (AGRA). Und die bei einer weiteren Beschneidung der Finanzmittel unweigerlich zu Qualitätseinbußen in den Programmen führen werden, die nicht im Interesse der Beitragszahler liegen.

Vor diesem Hintergrund fordern die Redakteursausschüsse die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) auf, die Mehreinnahmen aus der Umstellung auf die Haushaltsabgabe zur Stärkung des öffentlich-rechtlichen Programmangebotes zu verwenden. Keinesfalls darf die KEF eine weitere Senkung des Beitrages verlangen.

Wettbewerb steigert Qualität

Chancen des dualen Rundfunksystems begreifen

Deutschland verfügt mit einer Fülle an hervorragenden Zeitungen und Zeitschriften sowie seinem dualen Rundfunksystem und der steuerfinanzierten Deutschen Welle über eines der besten Mediensysteme der Welt. Hierfür ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk mit seiner journalistischen Qualität, seinem kulturellen Beitrag, der hervorragenden Sportberichterstattung und seinen vielfältigen Unterhaltungsangeboten ein unverzichtbarer Bestandteil.

Ein gesunder Wettbewerb zwischen privaten und öffentlich-rechtlichen Anbietern trägt insgesamt zur Qualität deutscher Medien bei. Kampagnen gegen die Öffentlich-Rechtlichen, mit denen die medienpolitische Debatte in Deutschland befeuert wird, sind kurzsichtig. Medien in Deutschland, egal ob privatwirtschaftlich oder öffentlich-rechtlich finanziert, sollten sich dringend ihren Herausforderungen der Zukunft stellen.

Sprachenvielfalt in der DW bedroht

Die AGRA unterstützt die Mitarbeiter der Deutschen Welle in ihrem Engagement für den Erhalt der Sprachenvielfalt im deutschen Auslandsrundfunk.
Die DW-Sprachen sind das Alleinstellungsmerkmal, das diesen Sender in der ARD einzigartig macht. Die Kollegen sind Experten für ihre jeweiligen Länder und Regionen und tragen zur journalistischen Kompetenz der ARD insgesamt bei. Da die Deutsche Welle nicht aus dem gemeinsamen Gebührenaufkommen finanziert wird, sind Bundestag und Bundesregierung aufgefordert, die DW aufgabengerecht zu finanzieren, ohne dabei die journalistische Unabhängigkeit des Senders anzutasten. Der geplante Umbau der deutschen Welle darf nicht zu Lasten der redaktionellen Mitarbeiter gehen.
Wir appellieren an den DW-Intendanten Peter Limbourg, auch weiterhin die redaktionelle Expertise deutsch-sprachiger Journalisten im Sender angemessen zu berücksichtigen.

Antworten auf Appell der AGRA

Auf ihren Appell „Nicht an der Glaubwürdigkeit sparen“ hat die AGRA zwei Antorten erhalten. Wir dokumentieren beide. So viel sei schon mal verraten: Sie stellen weder ein Zeichen von Vielfalt noch von Einigkeit dar.

Antwort der Intendantin des Rundfunks Berlin Brandenburg

Antwort des Intendanten des Bayerischen Rundfunks

DW-Mitarbeiter entsetzt über Kontroverse mit RoG

Die Kontroverse über die Ausrichtung der China-Strategie der Deutschen Welle zieht weitere Kreise. Der Vorstand von „Reporter ohne Grenzen“ sieht die vertraglich angestrebte Kooperation der Deutschen Welle mit dem chinesischen Sender CCTV im Widerspruch zum Mandat seiner Organisation. DW-Intendant Peter Limbourg hat das Kuratorium der Organisation Reporter ohne Grenzen nach einer entsprechenden Aufforderung verlassen ( siehe SZ vom 4.12.).
Viele Mitarbeiter der DW zeigten sich darüber entsetzt und haben sich an den Redakteursausschuss der DW gewandt. Das Ergebnis waren zwei Schreiben an Intendant Limbourg und den Vorstand von Reporter ohne Grenzen, die wir hier dokumentieren.

Sehr geehrter Herr Limbourg,

die Kontroverse zwischen Ihnen und dem Vorstand von Reporter ohne Grenzen hat viele Redakteure in unserem Haus alarmiert.

Ohne die Umstände Ihres „Ausschlusses“ bewerten zu wollen, sehen wir uns veranlasst, auf die jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen der DW und ROG hinzuweisen. Dies gilt insbesondere für die Kooperation bei den Bobs, beim Global Media Forum und bei der Unterstützung von durch staatliche Repression bedrohter Journalisten. Erst jüngst hat sich die Organisation vehement für die inhaftierte chinesische Kollegin Gao Yu eingesetzt, die ja auch für die Deutsche Welle tätig war.

Wir möchten Sie heute daher auffordern, die inhaltliche Kooperation der DW mit Reporter ohne Grenzen in allen genannten Bereichen ebenso fortzusetzen wie die Fördermitglied­schaft, ungeachtet Ihres Rückzugs aus dem Kuratorium von Reporter ohne Grenzen.

Viele Kollegen sind in den letzten Tagen ROG beigetreten. Wir sehen darin ein klares Zei­chen der Unterstützung für die Ziele der Organisation, dem Sie sich nicht verschließen soll­ten.

Mit freundlichen Grüßen

Der Redakteursausschuss

Rainer Esser, Nancy Isenson, Dr. Bettina Marx, Kate Müser, Daniel Scheschkewitz

Bonn/Berlin, den 9.12.14

 

 

An den Vorstand von
Reporter ohne Grenzen
An den Geschäftsführer Christian Mihr Bonn/Berlin, den 9.12.14

Sehr geehrte Vorstandsmitglieder, sehr geehrter Herr Mihr,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 8.12.14 und die darin enthaltenen Erläuterungen.
Der Redakteursausschuss der DW hat das, was Sie die „Neuausrichtung der China-Strategie“ nennen, in der Vergangenheit wiederholt kritisiert. So hat es zum Beispiel am 5.November ein Gespräch mit dem DW-Kolumnisten Frank Sieren gegeben, bei dem dieser für seine –aus unserer Sicht- bagatellisierende Darstellung des Massakers auf dem Platz des Himmlischen Friedens im Juni 1989 in der DW scharf kritisiert wurde.
Intendant Limbourg hat uns in der Zwischenzeit zugesichert, dass sich die China-Redaktion der DW – wie der Sender insgesamt- auch weiterhin als „Stimme der Freiheit“ versteht und kritisch zu Menschrechtsverstößen in aller Welt äußern werde.
Wir nehmen den Intendanten beim Wort und haben ihn heute zur Fortsetzung der inhaltlichen Zusammenarbeit mit Reporter ohne Grenzen aufgefordert.
Eine Kopie des Schreibens an Herrn Limbourg ist beigefügt.

Mit freundlichen Grüßen

Für den Redakteursausschuss der DW

Rainer Esser, Nancy Isenson, Dr.Bettina Marx, Kate Müser, Daniel Scheschkewitz

Nicht an der Glaubwürdigkeit sparen

Der Spardruck auf ARD, ZDF, Deutsche Welle und Deutschlandradio hat sich verschärft. Gleichzeitig müssen wir uns einer Glaubwürdigkeitsdebatte stellen.
Die AGRA sieht mit großer Sorge, dass im Zuge der Sparmaßnahmen Inhalte und Qualität auf der Strecke bleiben.1

Die Redakteursvertreter der öffentlich-rechtlichen Sender empfehlen den Verantwortlichen dringend, zunächst die inhaltlichen Prioritäten festzulegen und erst danach zu entscheiden, welche Programme oder Sendungen verzichtbar sind. Die redaktionellen Mitarbeiter müssen in die Veränderungsprozesse einbezogen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass durch Sparen, Personalabbau in den Redaktionen, weitere Verdichtung der Arbeit und zusätzliche Belastung der Programmmitarbeiter die Qualität des gesamten Angebots sinkt.
In der gegenwärtigen Debatte über die Daseinsberechtigung der öffentlich-rechtlichen Sender dürfen keine Zweifel an der Qualität entstehen.
Durch den Krieg in der Ukraine erhalten diese Überlegungen eine neue Aktualität. Unsere Berichterstattung steht unter besonderer öffentlicher Beobachtung und in der Kritik – oft nicht zu Recht. Leider sind aber Fehler in der Berichterstattung vorgekommen. Fehler passieren, aber wir sind überzeugt, dass sie durch wachsende Belastungen und zunehmenden Zeitdruck systemimmanent geworden sind.
Wir fordern die Intendanten und Programmdirekoren erneut auf, Arbeitsbedingungen für die Programmmitarbeiter zu schaffen, die ausreichend Zeit für gründliche Recherche und sorgfältiges Arbeiten bieten.
Gerade in dieser Zeit sind Redakteursvertretungen in allen Sendern wichtig, um die Diskussion über Inhalte und öffentlich-rechtliches Programm zu führen und in Programmkonflikten Ansprechpartner zu sein. Die AGRA hält es für inakzeptabel, dass es in einigen wenigen Sendern Redakteursstatute und starke Redakteursvertretungen nach wie vor nicht gibt. Dort scheitert es an den Hierarchien der Häuser und am Gesetzgeber.

  1. Die AGRA hat schon früher und mit anderem Anlass darauf hingewiesen, dass Redakteure als die Berufsgruppe gestärkt werden muss, die den Rundfunkauftrag in besonderem Maße erfüllt und sich dabei auf das Bundesverfassungsgericht bezogen.

    Münchener Beschluss

    Bremer Erklärung