Seit Wochen gärt es in der Deutschen Welle. In der Berichterstattung aus und über China tut sich ein tiefer Riss zwischen Redaktion und Hausspitze auf. Seit einigen Wochen gibt es sogar eine offizielle Kooperation der DW mit dem staatlichen Sender CCTV und China Radio International. In einer Pressekonferenz mit Intendant Wang Gengian kündigte der Intendant der Deutschen Welle, Peter Limbourg an, die DW werde künftig mehr über chinesische Wirtschafts-, Kultur und Geschichtsthemen berichten und dabei „die Richtlinien der chinesischen Seite beachten“, gleichzeitig aber auch eine objektive und unparteiische Berichterstattung gewährleisten.
Die Arbeitsgemeinschaft der Redakteursausschüsse im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (AGRA) hält das für einen journalistischen Tiefpunkt. Inakzeptabel ist, dass der deutsche Auslandssender sich in seiner Berichterstattung den „Richtlinien“ eines zwar eminent wichtigen Landes unterwirft, das in Sachen Presse- und Meinungsfreiheit allerdings das genaue Gegenteil von beispielhaft ist; zumal der Onlinedienst der DW in China ohnehin blockiert wird.
Vor einigen Monaten wollte die AGRA eine Umfrage unter allen öffentlich-rechtlichen Programm-Mitarbeiterinnen und -Mitarbeitern starten, in der gefragt werden sollte, welcher externen aber auch internen Einflussnahmen auf ihre Berichterstattung sie sich ausgesetzt fühlen. Aus verschiedenen Gründen hatte sich die AGRA dabei die Unterstützung der Intendantinnen und Intendanten erhofft. Die aber lehnten das ab. Limbourg schrieb unter anderem: „Als Intendant der Deutschen Welle kann ich Ihnen versichern, dass es zu unserem Selbstverständnis als öffentlich-rechtlicher Sender gehört, die Berichterstattung der DW von jeglicher politischer oder sonstigen Beeinflussung freizuhalten.“ Dies sei „Teil unserer Vorstellung von Qualitätsjournalismus“.
Die aktuellen Entwicklungen bei der DW lassen nicht erkennen, dass diese Sichtweise tatsächlich Richtschnur des Handelns ist; wohl aber, dass der Schutz der Unabhängigkeit nicht allein in das Belieben eines Intendanten gestellt werden kann. Selten genug kommt so etwas an die Öffentlichkeit. Darum ist es umso wichtiger, dass möglichst viele Redakteurinnen und Redakteure anonym aus ihrem Berufsalltag über große und kleine Beeinflussungsversuche berichten können. Diesen Anspruch, den die Öffentlichkeit an den Rundfunk hat, sollten die Geschäftsleitungen einlösen. Die Chance dazu hat ihnen die AGRA angeboten.