Pläne der Rundfunkkommission sind eine fahrlässige oder sogar mutwillige Schwächung der Sender

Die Ministerpräsidentenkonferenz will voraussichtlich noch in diesem Jahr eine Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks umsetzen. Die Rundfunkkommission hat dazu eine Reihe von Vorschlägen erarbeitet, die massive Auswirkungen auf die Tätigkeit der Redakteurinnen und Redakteure bei ARD, ZDF und Deutschlandradio hätten. Die AGRA hat deshalb einen Brief an alle Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie die Rundfunkkommission geschrieben. Hier ist der gesamte Brief – auch als Download

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An die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, Bürgermeister und die Mitglieder der Rundfunkkommission der Länder

Pläne der Rundfunkkommission sind eine fahrlässige oder sogar mutwillige Schwächung der Sender

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Berichte über die Pläne der Rundfunkkommission zur Reform des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben uns alarmiert. Wir sind grundsätzlich offen für notwendige Reformen und Priorisierungen, vor allem mit dem Fokus auf journalistische Inhalte. Viele Vorschläge halten wird aber für rückwärtsgewandt und weltfremd, sie widersprechen den dringenden Empfehlungen des von Ihnen eingesetzten „Zukunftsrats“ und wurden ohne Einbeziehung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erarbeitet. Wir fordern deshalb, dass diese Pläne überarbeitet und die Programmmacherinnen und -macher in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Öffentlich-rechtlicher Rundfunk muss gestärkt werden – gerade jetzt!

Gerade in einer Zeit, in der Fake News, Manipulationen und Hetze das Internet und die Social-Media-Plattformen überschwemmen, braucht es einen starken öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der den Bürgerinnen und Bürgern unabhängigen Journalismus bietet, sie umfänglich und ausgewogen informiert und den Meinungsaustausch fördert – im Fernsehen, im Radio und Online. Die Pläne der Medienpolitik bedeuten aber gerade das Gegenteil: eine fahrlässige oder sogar mutwillige Schwächung, sie helfen nur Gegnern der Meinungsfreiheit und den Populisten!

„Presseähnlichkeit“ und „Sendebezug“ sind nicht zeitgemäß und zerstören digitale Angebote

Strengere Regularien bei den Internetangeboten von ARD, ZDF und Deutschlandradio, die einen „Sendebezug“ verlangen und „presseähnliche“ Texte verbieten, widersprechen dem modernen Nutzungsverhalten der Bürger und dem Auftrag, mit den digitalen Angeboten jüngere Zielgruppen zu bedienen. Es ist nicht nur unter Fachleuten bekannt, dass digitale Angebote nur funktionieren, wenn es eine unbeschränkte Mischung aus Text, Bild, Audio und Video gibt – und das ohne einen Zeitbezug, denn weder jüngere Menschen noch Nutzer von Mediatheken und Streamingdiensten warten auf lineare Termine. Nachrichtenereignisse müssen zunächst schnell über Texte vermittelt werden, bevor man die Bilder und die Stimmen dazu hat.

Wir fordern Sie dazu auf, diese überholten und rückwärtsgewandten Pläne aufzugeben, ansonsten haben populistische Portale mit ihren Desinformationen und Kampagnen leichtes Spiel. Auch der von Ihnen selbst eingesetzte „Zukunftsrat“ hat den Ausbau und die Erleichterung digitaler öffentlich-rechtlicher Angebote als gesellschaftlich notwendige Elemente dringend gefordert. Eine digitale Zukunft kann aber nicht gelingen, wenn die Sender derart gefesselt sind.

Streichung von Wellen und Sendern nur bei Stärkung des Gesamtprofils

Wir fordern Sie zudem dazu auf, die Streichung von Sendern und Wellen an die Stärkung des öffentlich-rechtlichen Profils zu koppeln. Gerade kulturell, historisch, wissenschaftlich und gesellschaftlich relevante Themen finden in vielen Programmen ihr Publikum. Der Wegfall erfolgreicher Sender wäre ein Rückschritt, zumal sich digitale und lineare Angebot in diesen Fällen gegenseitig befeuern. Streichungen von Sendern müssen kompensiert werden durch digitale Angebote – ARD, ZDF und Deutschlandradio brauchen eine Vielfalt von Kanälen, um die Menschen zu erreichen.

Rundfunkbeitrag: Es droht ein Verfassungsbruch

Ferner verlangen wir von Ihnen und den Landtagen, das verfassungsgemäße Procedere bei der Beitragsanpassung einzuhalten. Das Verfahren, bei dem die Sender ihren Bedarf anmelden und die KEF als unabhängige Institution den Beitrag berechnet und festlegt, haben die Bundesländer auf eine Weisung des Bundesverfassungsgerichts selbst eingeführt. Jetzt dagegen zu verstoßen, ist aus unserer Sicht ein Verfassungsbruch. Die Sender müssen bedarfsgerecht finanziert werden, um ihrer Aufgabe nachzukommen. Wir müssen die Menschen mit gut recherchierten Angeboten erreichen – das geht nur mit entsprechender finanzieller Ausstattung.

Entpolitisieren und einbinden

Die Debatte um die Reformen des Rundfunks muss endlich entpolitisiert und von Macht-, Länder- und Parteiinteressen entkoppelt werden!

Die notwendigen Reformen werden nur gelingen, wenn auch die Programmmacherinnen und -macher in den Entscheidungsprozess eingebunden sind. Der Blick aus dem „Maschinenraum“ ist dringend notwendig. Aus diesem Grund hatte uns der „Zukunftsrat“ im Dezember 2023 zu einem positiven und fruchtbaren Austausch eingeladen – dasselbe erwarten wir auch von Ihnen.

 

Mit freundlichen Grüßen

 

Hubert Krech, Gabi Probst, Alexandra Dietz

Sprecher*innen der AGRA

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AGRA – Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse

Sprecher*innen: Hubert Krech (ZDF), Gabi Probst (RBB), Alexandra Dietz (SWR)

Kontakt: sprecher@agra-rundfunk.dehttp://blog.agra-rundfunk.de

Die AGRA ist die Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen Redakteursausschüsse (ARD, ZDF, Deutschlandradio und Deutsche Welle). Die Redakteursausschüsse sind jeweils gewählte Vertreter der Redakteure und setzen sich für die innere und äußere Pressefreiheit ein. Die Redakteursmitwirkung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wurde vom Bundesverfassungsgericht bestätigt und ist in mehreren Bundesländern gesetzlich festgeschrieben.

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